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Johann Holzer lebte für die Busse – jetzt feierte er seinen 100er


 

Er hat die eigene Busspur der GVB, heute Holding Graz, erfunden, wurde mehrmals zum freundlichsten und sichersten Busfahrer von Graz gewählt und war bei den Olympischen Winterspielen 1976 in Innsbruck einer der offiziellen Fahrer. Heute lebt Johann Holzer in einem Seniorenheim und feierte vor wenigen Tagen seinen 100. Geburtstag.

Was hat Johann Holzer nicht alles erlebt: Den Zweiten Weltkrieg, die Besatzungszeit, den Wiederaufbau Österreichs, das Wirtschaftswunder, die Ölkrise, das Ende der Sowjetunion, den EU-Beitritt, die Jahrtausendwende, die Finanzkrise, zuletzt Corona – an all das erinnert sich der Steirer noch ganz genau. Er weiß noch alles, kennt jedes Detail und jedes Datum und alle Namen: Sein Gedächtnis ist so gut wie seine Augen, der 100-Jährige liest die Zeitung immer noch ohne Brille.

Geboren wurde der Steirer am 23. März 1923 in St. Stefan ob Stainz. Sein Vater war Hilfsarbeiter, er hat fünf Geschwister, von denen drei noch am Leben sind. Schon als Kind wollte Holzer Buslenker werden. Den Traum erfüllte er sich früh: Im September 1946 begann er bei der Grazer Verkehrsgesellschaft GVG (die später zur GVB wurde und heute Graz Linien heißt) als Straßenbahnschaffner zu arbeiten. Unmittelbar darauf absolvierte er die Zusatzprüfung für den Bus.

Den Führerschein für alle Klassen hatte der Senior bei der Wehrmacht in München gemacht, 1944 war das. Schon zwei Jahre davor musste er als Soldat an die Front nach Russland. Im April 1943 wurde Holzer schwer verwundet, noch heute hat er sechs Granatsplitter im Knie. Fünf Spritzen bekommt er immer noch jedes Jahr, von einem Orthopäden ins Knie.

„Eine Proviantdose mit Butterkeksen, die wir dabei hatten, hat mir damals das Leben gerettet“, erzählt der 100-Jährige. Ein größerer Splitter wurde dadurch gebremst, bevor er in Holzers Körper eindrang. „Als Schwerverwundeter bin ich ins Lazarett nach Simferopol auf der Krim gekommen, später ging es mit dem Lazarettzug zurück nach Deutschland“, erinnert er sich. Acht qualvolle Monate dauerte die Genesung.

Nach der „Umschulung“ zum Fahrer musste er nach Dänemark, chauffierte einen Hauptmann. Anschließend fuhr er für einen Major in Deutschland. Beim Rückzug der deutschen Truppen vor den Westalliierten wurde Holzers Wagen von einer Granate getroffen, die ein Panzer abgefeuert hatte. „Das Geschoß hat das Auto glatt durchschlagen, bevor es explodiert ist. Zum Glück hat es nicht den Tank getroffen, in dem 60 Liter Benzin waren“, erinnert er sich genau daran, wie er zum zweiten Mal in Lebensgefahr war.

1945 geriet Holzer bei Augsburg in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Er wurde nach Marseille verlegt, dort wurde er von den US-Truppen als Lastwagenfahrer eingesetzt. „You are 45, hat mein Bewacher zu mir gesagt, das hieß, ab jetzt bin ich der Fahrer von Lkw Nummer 45“, schildert er die Szene noch heute bis ins kleinste Detail. Im September 1945 wurde Holzer aus der Kriegsgefangenschaft entlassen, kam zurück in die Steiermark, wo er erst Lastwagen und später eben für die GVG-Busse fuhr.

„Ich war als Schaffner in der Straßenbahn eingeteilt – wir waren damals Springer –, als meine spätere Frau einstieg“, erzählt Holzer. Das war im September 1947. „Wir haben uns sofort verliebt und schon zu Weihnachten, am 23. Dezember, habe ich meine Charlotte geheiratet. Es ist meine Glückszahl.  Ich dachte, da musst du schnell sein, sonst schnappt sie dir noch ein anderer weg“, schmunzelt er. Das Paar bekam vier Kinder, mittlerweile hat Holzer auch fünf Enkel und vier Urenkel. „Es ist aus allen was geworden, das macht mich stolz und glücklich.“

1976 war Holzer offizieller Fahrer bei den Olympischen Winterspielen in Innsbruck. Er chauffierte die Sportler von ihren Quartieren zu den Wettkampfstätten und wieder zurück. „Viele haben mir ihre Anstecknadeln geschenkt“, ist er heute noch stolz. Die Erinnerungsstücke bewahrt er in einer eigenen Schachtel auf, wie auch viele andere Dinge die er penibel aufbewahrt.

Bei den Grazer Verkehrsbetrieben machte der begeisterte Busfahrer 1975 den Vorschlag, eine eigene Fahrspur für Busse zu schaffen. Was damals revolutionär war, gehört heute zum Verkehrsalltag. „Für die Idee habe ich einen Preis gewonnen. Und sie wurde sogar umgesetzt“, freut sich Holzer. Sechs Jahre lang war er auch Betriebsrat, das waren zwei Perioden, zeigt er sich sehr stolz darauf. 1981 ging er in Pension.

Vor zehn Jahren zog Holzer ins Seniorenheim. Seine Charlotte war gesundheitsbedingt bereits einige Jahre vorher dorthin gesiedelt, „und ich wollte dann zu ihr. Anfangs hatten wir zwei getrennte Zimmer, aber als Ehepaar wurde uns dann bald ein Doppelzimmer zur Verfügung gestellt.“ Nach dem Tod seiner Frau vor sechs Jahren bewohnt der 100-Jährige ein schönes Einzelzimmer mit Balkon. „Es geht mir gut hier, ich bin dankbar und zufrieden. Meine Tochter Charlotte besucht mich zwei Mal in der Woche, sonntags kommt auch mein Bruder.“ Seine Kästen sind penibel geordnet. „Ich wundere mich manchmal, dass mein Vaterl sein Gewand nicht mit dem Lineal schlichtet“, lacht Tochter Charlotte. Holzer weiß genau, wo er jedes einzelne Bild oder jede Dose aufbewahrt, in der seine wertvollen Erinnerungsstücke liegen.

Das Geheimnis seines langen und bis heute gesunden Lebens gibt der Senior lachend preis: „Ich trinke nicht, ich rauche nicht und war meiner Frau immer treu.“ Außerdem isst er kein Schweinefleisch, ja überhaupt nichts Fettes. Das hängt mit einer Gelbsucht zusammen, die er nach dem Krieg hatte. „Damals habe ich damit aufgehört, und ich halte mich immer noch daran.“ Seine Lieblingsspeisen sind Tafelspitz und Saures Rindfleisch.

Zum Abschluss unseres Gesprächs spielt uns Johann Holzer noch ein Ständchen auf der Mundharmonika. Danke für den schönen Moment mit Ihnen, lieber Herr Holzer, und mögen sie uns noch viele Jahre so gut unterhalten.

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