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Das Ressidorf hat sie so berührt, dass sie geblieben sind


Begonnen hat alles 1995 mit ein paar Baucontainern und einem geschotterten Platz. Heute ist das Grazer Ressidorf in der Herrgottwiesgasse Anlaufstelle für derzeit 21 männliche Obdachlose, die psychische Schwierigkeiten haben und einen Schlaf- und Betreuungsplatz benötigen. Das von der Caritas geführte Dorf nimmt in erster Linie Männer mit Alkoholproblemen auf.

Bernhard Rauch kam 2004 als Zivildiener ins Ressidorf. „Ich war EDV-Techniker, habe mein Wirtschafts- und Bauwesenstudium abgebrochen, um hier meinen Job zu machen. Hier habe ich ein ganz anderes Leben kennengelernt. Die Menschen hier haben mich tief berührt und ich habe glücklicherweise ihre Betreuung zu meinem Beruf gemacht und bin Sozialbetreuer geworden.“

„Es hat damals zu wenig Angebote für Menschen, die an zumindest problematischem Umgang mit Alkohol leiden und nur schwer anpassungsfähig sind, gegeben. Diese Leute muss man so nehmen, wie sie sind, auch sie haben einen Platz verdient“, so Bernhard, der auch von allen so genannt wird. Die Einrichtung sei damals im Umbruch gewesen. Das von Linde Ressi gegründete Dorf sei erweitert und die baulichen Gegebenheiten seien verbessert worden. „Es war kein angenehmer und schöner Ort. Wir waren alle ungeheuer motiviert und wollten viel verändern. Das ist uns auch gelungen, weil jeder seine Fähigkeiten eingebracht und weit über das berufliche Muss hinaus gearbeitet hat“, erinnert sich Bernhard. Die Container wurden zum Beispiel gedämmt, Böden eingezogen, Heizmöglichkeiten geschaffen. Ich habe damals die Erfahrung gemacht, wenn man etwas anpackt, kann man auch etwas bewegen.“

Damals war Pierre Payer bereits im Ressidorf tätig, dessen Leiter er heute ist. Auch er kam über den Zivildienst in die Einrichtung und blieb ihr treu. Der Berufspädagoge schildert die Arbeit als herausfordernd, aber erfüllend und sinnstiftend. „Man lernt hier vieles von den Bewohnern und auch den Kollegen. Ich habe meine Berufswahl noch nie bereut.“

Wichtig ist es für Pierre Payer, immer auf Augenhöhe mit seinen Schützlingen umzugehen. „Wir reden ganz normal mit ihnen, niemals diskriminierend. Wir haben Bewohner nie hierarchisch behandelt und es war uns schon immer wichtig, mit allen gleich per Du zu sein.“ Trotz dieses freundschaftlichen Umgangs hätten er und seine Kollegen immer das Gefühl gehabt, respektiert zu werden. „Wir versuchen, immer ruhig zu bleiben und Ruhe zu bewahren. Schreien gibt es bei uns nicht.“

Selbst wenn ein Dorfbewohner absolut nicht in die Gemeinschaft integrierbar sei und man sich von ihm trennen müsse, passiere das auf ordentliche Art, versichert der Ressidorf-Leiter. „Dann versuchen wir, eine passendere Einrichtung für ihn zu finden, die besser mit seiner speziellen Persönlichkeit umgehen kann. Eines ist sicher, wir würden nie jemanden einfach auf die Straße stellen.“

Die Regeln im Ressidorf sind nur wenige, es herrscht eine lockere Atmosphäre, berichten Payer und Rauch. „Es gibt bei uns keine Ausgangszeiten. Wir bitten die Bewohner nur, uns Bescheid zu geben, wenn sie nicht nach Hause kommen, damit wir uns keine Sorgen machen müssen.“ Bis 23.30 Uhr seien Betreuer vor Ort, danach gebe es eine Rufbereitschaft. „Bei einem Notfall sind entweder Feuerwehr, Rettung oder wir sofort da.“

Ein fixer Bestandteil der Arbeit im Ressidorf ist die tägliche Heimhilfe. Um die Zuteilung der notwendigen Medikamente kümmert sich ein diplomiertes medizinisches Personal der Mobilen Pflege- & Betreuungsdienste der Caritas. 90 Prozent der Ressi-Bewohner werden von der Heimhilfe betreut. Für die Sauberkeit ist hingegen Melitta zuständig. „Sie ist seit zwölf Jahren bei uns“, sagt Pierre. „Sie bemüht sich rührend um unsere Leute und mit ihrer immer freundlich, lachenden Art sorgt sie für eine gute Stimmung.“

Die Bewohner des Ressidorfes sind in acht Zweibett- und fünf Einzelzimmern untergebracht. Außerhalb der Wohnmodule befinden sich die Bäder und Toiletten – „selbstverständlich barrierefrei“, wie Payer betont. Waschmaschinen und Trockner stehen ebenfalls zu Verfügung. Für die Bettwäsche gibt es ein professionelles Textilservice.

Ein Aufenthaltsraum mit Küche, Fernseher, Computer sowie einer Spiel- und Bücherecke sorgt für Abwechslung und bietet einen Ort für Kommunikation. „Wir geben täglich eine warme Mahlzeit aus, außerdem gibt es Kaffee und Kuchen für unsere Schützlinge.“ Lebensmittel- und Kleiderspenden sowie Hygieneartikel werden je nach Verfügbarkeit vergeben. Das Ressidorf-Team unterstützt die Bewohner bei diversen Ansuchen an Behörden, bei der Inanspruchnahme medizinischer Versorgung oder Geltendmachung von finanziellen Ansprüchen. „Wir beraten auch, wenn jemand Schulden hat oder helfen bei der Haushaltsführung.“

Mithelfen muss zwar niemand, dennoch wird es im Ressidorf gern gesehen, wenn die Bewohner bei der Grünpflege und der Reinigung der Anlage zupacken. „Für Beschäftigung sorgen auch unsere regelmäßigen Dorftreffen und Weihnachts- oder Geburtstagsfeiern.“ Einmal im Monat schaut eine Damenrunde vorbei, welche für die Bewohner kochen, mit ihnen Spiele spielt oder einfach nur redet.

Die Bewohner müssen monatlich 230 Euro für die Unterkunft bezahlen. Inkludiert sind das Mittagessen und Kaffee. „Aber nur, wenn sie ein Einkommen haben, wie zum Beispiel Invaliditätspension, um die wir gemeinsam mit ihnen ansuchen. Man sei eine spendenfinanzierte Einrichtung der Caritas, aber: „Wichtig ist es schon, dass die Bewohner auch etwas bezahlen müssen. Das hilft dabei, dass sie sich nicht als reine Bittsteller sehen, sondern auch einen Beitrag leisten. Umbauten und Ergänzungen, so Pierre Payer, wären auch schon wieder nötig. „Wir hoffen darauf, dass wir neue Böden legen können und ein Vordach bekommen - wäre ein echter Bedarf. Auch eine behindertengerechte Rampe würde die Sicherheit der Bewohner gewährleisten.“          

Bernhard Rauch

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