Der Steirer Kurt Egger ist nicht nur Chef des Wirtschaftsbundes Österreich, sondern auch Nationalratsabgeordneter und Mediensprecher der ÖVP. In der Politik hält er den persönlichen Kontakt nach wie vor für unverzichtbar, auch wenn alles schneller geworden sei.
Seit fünf Jahren sind Sie Generalsekretär des Wirtschaftsbundes Österreich. Was konnte in dieser Zeit für die Unternehmen erreicht werden?
Es waren spannende Zeiten. Ich bin mitten in den Wahlkampf für die WKÖ-Wahlen eingetaucht, die für den Wirtschaftsbund sehr gut verlaufen sind. Unmittelbar danach waren wir mit dem ersten Corona-Lockdown konfrontiert. Wir mussten sehen, wo wir den Betrieben helfen können, und sind dabei selbst im Notbetrieb gefahren. Wir mussten ein auseinanderdividieren der Branchen und der gesamten Gesellschaft verhindern, was sehr herausfordernd, aber im Nachhinein gesehen erfolgreich war. Letzten Endes sind wir als Volkswirtschaft erfolgreich aus der Covid-Krise hervorgetreten und haben Betriebe und Arbeitsplätze gerettet. Dann kam der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und damit die nächste Krise, die explodierende Energiepreise und eine Inflation nach sich zog. Die globalen Herausforderungen hören nicht auf. Unser An- spruch, den Menschen in diesem Land zu helfen, aber ebenso wenig.
Vor zwei Jahren sind Sie auch Mitglied des Nationalrates geworden. Wo kann man mehr bewegen – dort oder im Wirtschaftsbund?
Die Kombination macht es aus. Der Wirtschaftsbund gehört zu den wichtigsten Fraktionen innerhalb der Volkspartei und stellt den Wirtschaftskammerpräsidenten, zwei Bundesminister und alle neun Landespräsidenten der Wirtschaftskammer. Das ermöglicht, einem Spielraum zu gestalten, und zusammen mit dem Abgeordnetenmandat kann ich viel für die Unternehmen bewegen.
Beide Jobs bedingen die Anwesenheit in Wien. Wo ist inzwischen Ihr Lebensmittelpunkt?
Der ist nach wie vor in Graz. Ich bin Montag bis Donnerstag in Wien. Den Rest der Woche in Graz. In der heutigen Zeit hat man jedoch die Möglichkeit, für die Anliegen der Menschen aus Graz und aus Wien immer erreichbar zu sein, egal wo man sich gerade befindet.
Was sind die größten Herausforderungen, vor denen die österreichische Wirtschaft momentan steht? Und wie lassen sie sich bewältigen?
Die größte Herausforderung ist nach wie vor der Arbeitskräftemangel, dicht gefolgt von den hohen Energiepreisen und einer weiterhin hohen Inflationsrate, die zwar sinkt, aber noch immer zu hoch ist. Leider sind das Themen, die sich nicht Ad Hoc lösen lassen, da werden wir Geduld brauchen. Aus diesem Grund hat die Bundesregierung auch Maßnahmen beschlossen, um die Bevölkerung und Wirtschaft dabei zu unterstützen, in diesen herausfordernden Zeiten durchzuhalten. Und für die Zukunft bin ich zuversichtlich, dass sich die heimischen Betriebe wie schon in der Vergangenheit schnell an neue Situationen anpassen werden.
Es gibt Kritik, dass die Regierung die Unternehmen mit Förderungen und Beihilfen wie aus dem Füllhorn überschüttet. Auf der anderen Seite kritisieren viele vor allem kleinere Betriebe, dass sie zu wenig Unterstützung erhalten. Was trifft hier zu?
Besonders die Covid-Pandemie war eine Situation, auf die global betrachtet keine Volkswirtschaft vorbereitet war. Genau deshalb war es unbedingt notwendig, Unterstützung anzubieten und es musste schnell gehen. Im Nachhinein hätte man das eine oder andere anders machen können, aber das ist die Sicht der Rückwärtsversteher, die mit dem Wissen von heute die Situation von vorgestern beurteilen – was keine große Kunst ist. Wenn wir uns das letzte Jahr ansehen, hatten wir ein Wirtschaftswachstum von knapp fünf Prozent. Das wäre in aller Deutlichkeit nicht möglich gewesen, wenn wir die Betriebe in diesem Land nicht so unterstützt hätten, wie wir es getan haben. Das hat uns nach dem Ausbruch des Russland-Ukraine-Konflikts einen konjunkturellen Vorsprung verschafft, bevor uns dieses Jahr die Energiekosten und Teuerung wirtschaftlich eingeholt haben. Auch da war es wichtig einzugreifen, um die Kaufkraft zu erhalten und die Wettbewerbsfähigkeit sicher zu stellen.
Viele Unternehmen klagen, dass sie keine Mitarbeiter finden. Gleichzeitig haben über 50-Jährige auf dem Arbeitsmarkt immer noch kaum Chancen, erhalten auf Bewerbungen oft nicht einmal eine Antwort. Was läuft da falsch?
Auch wenn sich die wirtschaftliche Lage eingetrübt hat, es werden in den Betrieben händeringend Mitarbeiter gesucht. Das sieht man an den trotz Rezession konstanten Zahlen der Arbeitslosen und offenen Stellen. Wir haben aktuell laut unserem WB-Stellenmonitor 207.000 offene Stellen. Um die Zahl der älteren Arbeitslosen zu senken, haben wir bereits wichtige Maßnahmen gesetzt, zum Beispiel die Aktion Sprungbrett, die sehr gut angenommen wird und seit April 2021 die Zahl der Langzeitarbeitslosen, zu denen auch oft über 50-Jährige zählen, um mehr als die Hälfte reduziert.
Die Jüngeren achten nicht mehr in erster Linie auf die Höhe des Gehaltes, sondern stellen die Work-Life-Balance ins Zentrum. Was muss die Wirtschaft ihnen anbieten, um sie als Mitarbeiter zu gewinnen?
Es ist mittlerweile ein Arbeitnehmermarkt. Angestellte können sich aussuchen, wo sie arbeiten wollen. Die Betriebe benötigen sicher keine Tipps von meiner Seite, wie sie damit umgehen. Work-Life-Balance ist ein Begriff, der oft falsch verwendet wird. Es gibt genug junge Menschen, die gerne mehr arbeiten wollen, aber es muss sich auch auszahlen. Arbeit muss sich lohnen. Wer etwas leistet, muss auch mehr verdienen können. Da wurden insbesondere in den letzten Monaten Anreize gesetzt. Der Ausbau der steuerbegünstigten Überstunden und der flächendeckenden Kinderbetreuung sowie die Abschaffung der Kalten Progression, die wohlbemerkt ein echter Gamechanger ist. Unser Sozialsystem ist auf Solidarität aufgebaut. Wenn nicht alle fair ihren Beitrag leisten, wird das System irgendwann kollabieren. Es nur auszunutzen, ist unfair jenen gegenüber, die jeden Tag in der Früh aufstehen, um arbeiten zu gehen.
Sie sind auch Mediensprecher der ÖVP. Kommt in den Medien genug Wirtschaft vor? Wie kompetent sind die Medien in Wirtschaftsfragen? Wie kann man Wirtschaft für ein breiteres Publikum interessanter machen?
Mediensprecher ist eine der spannendsten Herausforderungen meiner politischen Karriere, der Spagat zwischen einem öffentlich-rechtlichen Auftrag und der Medienvielfalt ist oft herausfordernd, aber machbar. Viel Wirtschaftskompetenz gibt es in den Medien sicher, aber es kann nie genug sein. Wir müssen mehr über wirtschaftliche und volkswirtschaftliche Themen sprechen. Es wäre schön, besonders spannende Unternehmen öfter vor den Vorhang zu holen und das Bild vom „bösen“ Unternehmer, wie es politische Mitbewerber gerne darstellen, zu widerlegen.
Immer mehr vor allem junge Menschen beziehen ihre Informationen vor allem aus den Sozialen Medien, die – höflich formuliert – nicht die verlässlichste Quelle sind. Was kann die Politik tun, um den klassischen Medien wieder zu mehr Gewicht zu verhelfen?
Wir haben sehr stark mit Fake News und Echokammern zu kämpfen. Auch die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz ist eine Herausforderung für die Politik, die Rahmenbedingungen schaffen muss. Im Umbruch der Medienlandschaft werden sich der Qualitätsjournalismus und digitale Produkte behaupten.
Sie sind seit 1997 in der Politik. Hat sich diese verändert? Und was ist besser, was ist schlechter geworden?
Politik ist anders geworden. Früher lief alles ausschließlich über den persönlichen Kontakt. Heute ist die Geschwindigkeit viel höher, was an den Kommunikationsmitteln liegt. Und schließlich stehen Politiker immer unter Beobachtung, seit in jedem Handy eine Kamera installiert ist. Politik war schon einmal lustiger. Aber es ist nach wie vor spannend, ein Land gestalten zu dürfen. Das persönliche Gespräch ist immer noch durch nichts zu ersetzen.
Was sind Ihre Wünsche und Pläne für die politische Zukunft?
Persönliche Ambitionen habe ich keine. Ich hoffe auf mehr Miteinander in der Politik, dass das gegenseitige Anpatzen aufhört und man wieder das Gemeinsame vor das Trennende stellt. Die Politik der schnellen Schlagzeile sollte man in den Hintergrund stellen. Wir leben in einem der schönsten Länder der Erde, das sollten wir wieder schätzen lernen.
Wie stark sind Sie noch im Grazer Wirtschaftsbund engagiert?
Ich habe nach wie vor gute Kontakte und unterstütze ihn, so gut ich kann.
Auch über Privates gibt Kurt Egger im Gespräch Auskunft. Es sei eine falsche Entscheidung mit 14 Jahren gewesen: „Ich habe drei Jahre in die HTL investiert, statt gleich eine Lehre zu starten.“ Mit 17 begann Egger dann, Gas-Wasser-Installateur und Technischer Zeichner zu lernen. Sein schönstes Erlebnis, so der Politiker, sei definitiv „die Geburt meiner zwei Kinder“ gewesen. Auch die Angelobung als Nationalratsabgeordneter „war unvergesslich“. Viel Freizeit bleibt Egger nicht, aber das wisse man, wenn man in die Politik gehe. Laufen und Tennis geht sich manchmal aus. „Und der Kontakt zu meinen Freunden ist mir wichtig, den pflege ich.“
Er sei ein Mensch, der herzhaft lachen könne, betont Egger. „Ich versuche immer, positiv und fröhlich gestimmt zu sein. Lachen kann ich zum Beispiel über ein gutes Kabarett.“ Die Schlagzeile, die er gerne über sich lesen würde, kennt Egger schon seit langer Zeit: „Karriere mit Lehre. Dafür bin ich ein gutes Beispiel!“
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