Elke Kahr bringt vieles weiter


Vor 40 Jahren ist Elke Kahr der KPÖ beigetreten, seit zwei Jahren ist die 62 Jahre alte Politikerin Bürgermeisterin der Stadt Graz. Seitdem hat sich in der Landeshauptstadt einiges getan.

Vieles sei weitergegangen in ihrer Amtszeit. „Wir haben unser Versprechen, dass wir den Blick von unten haben werden, eingehalten. So haben wir neue Nachbarschaftszentren errichtet, 14 gibt es mittlerweile. Die Einrichtungen sind unglaublich wichtig, die Menschen können dort zusammenkommen, ihre Sorgen mitteilen, kochen, Lernhilfe erhalten und viele weitere Angebote nützen.

Der Bezugskreis der Sozialcard der Stadt Graz wurde ausgeweitet. „Die Card war der erste Dringlichkeitsantrag der KPÖ in den 90er-Jahren“, erinnert sich die Bürgermeisterin, die in der Stadtregierung auch für Soziales zuständig ist. Mit der Karte könne man verschiedene Sozialleistungen beziehen und müsse nicht um jede Leistung extra ansuchen.

310 Gemeindewohnungen wurden in den letzten beiden Jahren neu errichtet, erzählt Elke Kahr. „Mehr als 1.000 Familien wurden allein im Vorjahr Gemeindewohnungen neu zugewiesen, es waren so viele wie noch nie.“ Bestehende Objekte wurden teilweise aufgewertet, etwa durch Balkonanbauten, thermische Sanierung oder die Entsiegelung von Außenflächen.

Für die zweite Hälfte ihrer Amtszeit plant die Bürgermeisterin, die das Referat Wohnen überhat, weitere neue Gemeindewohnungen bauen zu lassen. 500 sollen es insgesamt werden während Kahrs Amtszeit. „Wir errichten die Wohnungen in einer Qualität, mit der mancher frei finanzierte Wohnbau nicht mithalten kann.“ Ansuchen könne prinzipiell jeder, der mindestens schon ein Jahr lang in Graz lebt und arbeitet. „Auch wenn er knapp 3.000 Euro netto verdient. Wohnen ist in den Ballungszentren für den Großteil der Menschen nicht mehr bezahlbar. 50 bis 60 Prozent des Gehalts gehen dafür auf. Da bleibt nicht mehr viel übrig. Und wenn dann eine unvorhergesehene Ausgabe dazu kommt, ist der Weg in die Schuldenfalle vorprogrammiert.“

Die Mieten sollten vom Staat begrenzt werden, ist Kahr überzeugt. „In Frankreich wird das gemacht, warum nicht auch bei uns?“ Außerdem müsste der Wohnbauförderbeitrag, den jeder Arbeitnehmer bezahlt, wieder zweckgewidmet für den öffentlichen Wohnbau verwendet werden.

In der Stadtkoalition aus KPÖ, SPÖ und Grünen könne man vieles schaffen, versichert die Bürgermeisterin. Zum Beispiel die Gesundheitsdrehscheibe in der Annenstraße, wo die Bürger eine Erstberatung in allen medizinischen Fragen erhalten. „Das Projekt ist österreichweit einzigartig.“ Auch das Grazer Pflegefinanzierungsmodell sei ein Meilenstein: „Die Mindestpension muss den Bürgern bleiben, auch wenn sie eine Heimhilfe beantragen. Früher wurden die Kosten dafür abgezogen, dadurch wurden die Menschen ins Heim gedrängt. Jetzt können sie in ihrem Zuhause bleiben.“

Ein Schwerpunkt ist für Elke Kahr der weitere Ausbau des Öffentlichen Verkehrs. Das sei das Herzstück der Mobilität. „Wir sind nicht gegen Autos in der Stadt, aber der vorhandene Platz ist einfach zu wenig. In der Innenstadt ist es wichtig, dass die Infrastruktur für Fußgänger und Radfahrer sowie die Öffis gut ausgebaut ist und eine Verkehrsberuhigung erfolgt. Davon profitieren unterm Strich auch alle Menschen.“

Kritik, wonach die KPÖ einerseits einen Gebührenstopp fordere, in Graz aber andererseits die Preise z. B. für die Müllabfuhr kräftig erhöht worden seien, will Kahr nicht gelten lassen. „Wir haben auf kommunaler Ebene, wo wir direkten Einfluss haben, bisher die Mieten der Gemeindewohnungen nicht erhöht. 2022 wurden die Gebühren für Wasser, Kanal und Müll für alle Bürger der Stadt Graz nicht angehoben. Graz bietet viele Leistungen für alle Steirer – in der Kultur, der Bildung und im Sport – das wird jedoch vom Land Steiermark nicht ausreichend gesehen.“

Im Laufe ihrer langen politischen Karriere hat die Bürgermeisterin mehr als eine Million Euro ihres Gehalts für die Unterstützung von Grazern in Notlagen gespendet. „Ich bin nicht wegen des Geldes der KPÖ beigetreten. Mir ist immer daran gelegen, allen Leuten auf Augenhöhe zu begegnen und ganz konkret zur Seite stehen.“

Ihren Entschluss, an die Spitze der Stadtregierung zu gehen, hat Elke Kahr nie bereut. „Ich sehe ja den Sinn meiner Arbeit und dass  etwas weitergeht.“ Ambitionen, in die Bundespolitik zu gehen, hat die Bürgermeisterin keine. Sie wird die Stadtpolitik nicht verlassen. „Das wäre, wie wenn ich eigene Kinder habe und plötzlich sage, ich mag euch nicht mehr, ich kümmere mich jetzt um die Nachbarskinder.“ Sie brauche auch den Drang nach oben gar nicht. „Wir haben für die Nationalratswahlen zwei tolle Spitzenkandidaten. Vielleicht schaffen wir ja den Einzug ins Parlament. Ich bin jeden Fall guten Mutes.“

Die kommunale Ebene ist für Elke Kahr immer noch die Schönere. „In Graz ganz besonders. Es gibt über alle Parteigrenzen hinweg eine gute Gesprächsebene. Etwas mehr Sachlichkeit in der Diskussion würde ich mir aber wünschen.”

„Was sich geändert hat, ist, dass die Auseinandersetzung oberflächlicher geworden ist. Früher war es sachorientierter.“ Social Media habe dazu geführt, dass „es wichtiger geworden ist, ein gutes Selfie zu machen, als mit Argumenten zu arbeiten. Die Politiker merken gar nicht mehr, dass sie Gefangene dieses Systems sind. Ein Stück weit ist die Menschlichkeit verlorengegangen.“

Seit 35 Jahren lebt Elke Kahr in einer Partnerschaft mit dem früheren KPÖ-Landeschef Franz Stephan Parteder, 2018 haben sie geheiratet. Das Paar hat einen 32-jährigen Sohn, Parteder noch eine Tochter. Vier Enkel gibt es mittlerweile.

„Ich könnte das alles nicht machen, wenn es Franz nicht gäbe. Er ist mein Rückhalt – das ist die ganze Familie für mich. Ich habe mein Leben lang viel gearbeitet, das würde man nicht aushalten, wenn man daheim keine Stütze hat.“

Elke Kahr kann über viele Dinge lachen. „Humorlos bin ich wirklich nicht. Ich lache gern, manche sagen sogar zu viel. Schmähführen habe ich gerne. Ich lege nicht jedes Wort auf die Waagschale, das ist nicht gut.“

Wenn Elke Kahr sich einen Prominenten aussuchen könnte, mit dem sie einen Tag verbringt, wäre das der ehemalige britische Labour-Chef Jeremy Corbyn. „Mit ihm würde ich mich gerne austauschen, vor allem gefällt mir die Klarheit seiner Sprache und die Parteilichkeit für die arbeitenden Menschen.“

Hobbys hat die Stadtchefin einige. „Ich bin Filmliebhaberin, ohne Musik kann ich auch nicht leben.” Natürlich liest Kahr viel: „Wir haben gut 10.000 Bücher und Schallplatten daheim in unserer Mietwohnung.“

Sie fährt einen Citroen Berlingo. Das Auto nützt sie aber nur unregelmäßig. Die Bürgermeisterin beansprucht auch keinen Chauffeur. „Ich zahle meine Taxis selbst, fahre mit den Öffis oder mit dem Rad ins Rathaus und zu Terminen.”

Die Politik war ihr nicht in die Wiege gelegt. „Als Kind wollte ich Abenteurerin werden. Ich habe mich auf Piratenschiffen gesehen oder als Landkartenzeichnerin. Damals wusste ich nicht, dass man für letzteres Geografie studieren kann. Mein Vater hat mit ein Buch ,Länder der Erde‘ geschenkt. Das habe ich auswendig gekannt.“

Elke Kahr

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