Ernest Ferl hat italienische Wurzeln – was vielleicht erklärt, warum ausgerechnet eine Pizzeria sein Lebenswerk wurde. Geboren ist er aber mitten in Graz, wo seine Eltern das traditionsreiche Lokal „Ferls Weinstube“ in der Burggasse betrieben. Das Gastronomen-Gen? Möglicherweise angeboren.
Ferls Schulkarriere verlief geradlinig – er besuchte die Volks- und Hauptschule, eine praxisnahe Schulform, die ihn gezielt auf die Anforderungen des Berufslebens vorbereitete. Und genau das sollte für Ernest Ferl bald beginnen - als Kellner im Bahnhofsrestaurant, später in Velden, Tirol und schließlich im berühmten Hotel Panhans am Semmering.
Dort traf er seine Frau, die an der Rezeption arbeitete. Es war der Anfang einer großen Liebe – heute sind sie seit Jahrzehnten verheiratet. Gemeinsam gingen sie durch viele Höhen und Tiefen. Ferl arbeitete auch in Frankfurt, kehrte dann nach Graz zurück, half in der Weinstube der Eltern und versuchte sich an einem neuen Traum - Kaffeeverkäufer. Doch das funktionierte nicht.
Er landete schließlich in einem Einrichtungshaus – dank einer Bewerbung, die seine Schwester für ihn schrieb. Dort blühte er auf, entwickelte das Möbelprogramm „Provence“, stellte es auf der Grazer Messe aus und erhielt jahrelang Provision. Sieben Jahre blieb er – dann kam der nächste Sprung.
Ein Spaziergang, der alles veränderte
Eines Tages spazierte Ernest Ferl durch die Innenstadt und stand plötzlich in der Sporgasse – vor einem Küchenmöbelgeschäft namens „Küchenkastl Schmidt“. Eigentlich wollte er dort nur Jalousien verkaufen. Der Inhaber winkte ab, bot ihm aber einen Schnaps an. Aus einem Gespräch wurde eine Freundschaft – und ein Deal.
Nach einer gewissen Zeit sagte Schmidt „Ich sperr bald zu“ und Ferl fragte, ob er das Geschäft übernehmen könne. Und er konnte es - 345.000 Schilling Ablöse und monatliche Pacht. Gemeinsam mit einem guten Freund gründete er das Einrichtungshaus „Niveau“. Doch das Projekt scheiterte – Ferl zahlte Ihn aus und ging erneut in die Saisonarbeit, diesmal ins Grandhotel nach Zell am See. Währenddessen versuchte seine Ehefrau, in Graz das Geschäft über Wasser zu halten. Nach drei Saisonen kam Ferl mit Geld zurück – und entschied: Jetzt wird’s ein Café.
Café Catharina – mit Strudel, Herz und Schmäh
Das neue Lokal wurde auf den Namen Catharina getauft – in Anlehnung an Tochter Katharina, die als kleines Kind während der Arbeitszeit oft im Geschäft schlief, manchmal sogar in einer Bananenschachtel. Heute spielt sie begeistert Geige – und das regelmäßig.
Gemeinsam mit Rene Müller wurde das Café komplett umgebaut – Boden, Decke, Toiletten, Einrichtung: alles neu. Bald schon war das Lokal stadtbekannt – für seinen Kaffee, seine Mehlspeisen und seinen Schmäh. Besonders beliebt war der handgezogene Apfelstrudel. Und weil man in Graz Sinn für Humor hat, erfand das Team eine schräge Aktion. Ein Apfelstrudelstück auf einem Pappteller mit Loch wurde an einer Schnur durch das ganze Lokal gezogen – inklusive Stufen. „Er fiel runter, die Leute hoben ihn auf – das war halt witzig“, erinnert sich Ferl.
Von der Café-Legende zur Pizzastadt-Institution
Als das Café langsam weniger Gäste anzog, kam ein neuer Gedanke. Ein befreundeter Bäckermeister, Herr Schellnegger, sagte: „Macht doch Pizza.“ Und so fuhren der Bäckermeister und Ferls Frau nach Caorle, um dort einen echten Pizzabäcker zu finden. Sie fanden Carlo, nahmen ihn mit nach Graz – und der Rest ist Geschichte.
Das Lokal wurde nochmals umgebaut und die Pizzeria geboren. Die Gäste kamen in Scharen. An einem Tag sagte Carlo: „Chef, ich bin fertig – ich mach keine Pizza mehr.“ Um 14:30 Uhr wurde das Lokal geschlossen – alles war ausverkauft. Die berühmte Stückpizza aus dem Fenster waren Carlos Idee – und bis heute verkauft sie sich am Straßenfenster des Lokals in der Sporgasse, das fensterseitig zur Ballhausgasse liegt.
Als später die Immobilie verkauft werden sollte, griff Ferl zu. kaufte er das Geschäftslokal – trotz vieler Zweifler. Doch als sie den Erfolg sahen, waren auch sie überzeugt. Ein weiterer Umbau folgte, diesmal durch die Architekten Gebrüder Wratschko, die das Lokal modernisierten – bis auf die Fenster zur Ballhausgasse wurde alles neu.
2001 trat eine neue Mitarbeiterin ins Geschehen - Jana Horska. Nach zwölf Jahren gemeinsamer erfolgreicher Arbeit übernahm sie 2013 offiziell das Lokal als Pächterin. Die Slowakin, einst Ingenieurin für Hochbau, war 1989 vor dem Kommunismus geflüchtet, kam nach Österreich, putzte Toiletten, arbeitete auf Feldern – und gab nie auf. „Augen zu und durch“, sagt sie heute.
Jana führt das Santa Catharina in Ferls Sinn weiter: mit viel Herz, Qualität und Teamgeist. Der Pizzabäcker ist seit 40 Jahren im Haus, alles wird täglich frisch zubereitet. Die Küche ist rein italienisch, das Interieur ein Urlaubserlebnis in Graz. „Es soll an Italien erinnern“, sagt sie – und es tut es. Speisen, Atmosphäre, Bilder – alles weckt Dolce Vita. „Wir sind eine Familie – das spüren die Gäste“, sagt Jana. Und sie kommen wieder. Immer noch.
Ernest Ferl hat mit Mut, Humor, harter Arbeit und einer Prise Wahnsinn ein Lokal geschaffen, das weit mehr ist als eine Pizzeria. Es ist ein Ort voller Erinnerungen, Erfindungen, Geschichten. Ein Stück Graz mit italienischem Herz. Und ein Beweis, dass man mit Leidenschaft alles erreichen kann – ganz ohne perfekten Lebenslauf.
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