Diagnose Querschnittlähmung


Oberärztin Dr. Gabriela Wittgruber, 56 Jahre alt, ist eine erfahrene Medizinerin und Spezialistin und Leiterin der Abteilung für Querschnittgelähmte am Rehazentrum Tobelbad. Ihre Leidenschaft für diesen anspruchsvollen Bereich der Medizin ist in jedem Gespräch spürbar. Die Arbeit mit querschnittgelähmten Patienten erfordert nicht nur medizinisches Fachwissen, sondern auch ein tiefes Verständnis für die komplexen körperlichen und emotionalen Herausforderungen, denen sich diese Menschen nach einer schweren Verletzung stellen müssen.

Eine Querschnittlähmung entsteht durch eine Schädigung des Rückenmarks, die zu einer Unterbrechung der Kommunikation zwischen Gehirn und Körper führt. Das Rückenmark ist wie ein Kabelstrang, der Informationen vom Gehirn zu den Organen und Muskeln leitet. Wird dieser Kabelstrang durch eine Verletzung beschädigt, kann es zu einem vollständigen oder teilweisen Ausfall der Funktionen unterhalb der Verletzungs-höhe kommen. Je nachdem, wo die Schädi- gung auftritt, können unterschiedliche Körperbereiche betroffen sein. Beispiels-weise führt eine Verletzung auf Höhe der Halswirbelsäule zu einer Lähmung der Arme und Beine (Tetraplegie), während eine Schädigung im Bereich der Brustwirbelsäule „nur“ die Beine betrifft (Paraplegie).

Ein häufiges Thema, das Dr. Wittgruber im Gespräch mit ihren Patienten anspricht, ist die Frage nach der Fähigkeit zu schwitzen. „Menschen mit einer Querschnitt-lähmung können unterhalb der Verletzungs- höhe nicht mehr schwitzen“, erklärt sie. „Das liegt daran, dass das vegetative Nervensystem, das die Schweißdrüsen steuert, durch die Schädigung des Rückenmarks beeinträchtigt ist. Oberhalb der Verletzungshöhe funktioniert das Schwitzen jedoch normal.“ Diese Einschränkung kann schwerwiegende Folgen haben, da das Schwitzen eine wesentliche Rolle bei der Regulierung der Körpertemperatur spielt. Patienten, die sich längere Zeit in der Sonne aufhalten, laufen Gefahr, einen gefährlichen Hitzestau zu erleiden, weil ihr Körper nicht mehr in der Lage ist, die überschüssige Wärme abzuführen.

Die Rehabilitation von querschnittgelähmten Patienten erfordert einen ganzheitlichen Ansatz, der weit über die medizinische Versorgung hinausgeht. „Im Rehazentrum Tobelbad verfolgen wir ein biopsychosoziales Behandlungskonzept“, erläutert Dr. Gabriela Wittgruber. „Das bedeutet, dass die Rehabilitation nur durch die enge Zusammenarbeit eines interdisziplinären Teams erfolgreich sein kann.“ Zu diesem Team gehören neben den Ärzten auch Physio-therapeuten, Ergotherapeuten, Sporttherapeuten, Logopäden, Diätberater, Psycho-logen, Pflegekräfte und Sozialarbeiter. Jeder Patient wird individuell betreut, und es wird darauf geachtet, dass auch die Angehörigen in den Rehabilitationsprozess einbezogen werden.

Ein besonders wichtiger Aspekt der Rehabilitation ist das Darm- und Blasenmanagement. „Nach einer Rückenmarksverletzung ist der Körper oft in einem Schockzustand, der bis zu zwölf Wochen andauern kann“, erklärt die Spezialistin Wittgruber. In dieser Zeit sind die Funktionen unterhalb der Verletzungshöhe stark beeinträchtigt. Zu den häufigsten und dauerhaftesten Folgen einer Querschnitt-lähmung gehört eine gestörte Blasen- und Darmentleerung. „Der Darm ist nicht mehr in der Lage, seine Funktionen selbstständig zu steuern. Deshalb ist es notwendig, die Darmentleerung zu planen, um ungewollte Zwischenfälle zu vermeiden.“ Dies erfordert eine sorgfältige Abstimmung von Ernährung und medikamentöser Unterstützung. Ballast-stoffreiche und ausgewogene Ernährung spielt eine entscheidende Rolle, um die Verdauung zu regulieren und eine planbare Entleerung zu ermöglichen. „Unsere Patienten lernen, mit dieser neuen Situation umzugehen, aber es ist ein Prozess, der oft Monate, wenn nicht Jahre dauert“, betont die Oberärztin Wittgruber.

Die Diagnose einer Querschnittlähmung ist ein Schock für jeden Patienten. Nach einem Unfall ist es oft schwierig, das genaue Ausmaß der Verletzung sofort zu erkennen. „In den ersten zwölf Wochen nach dem Unfall kann es aufgrund von Schwellungen und Blutergüssen im Rückenmark zu vorübergehenden Funktionsausfällen kommen“, erklärt Dr. Wittgruber. Erst wenn sich diese Schwellungen zurückgebildet haben, kann das volle Ausmaß der Schädigung beurteilt werden. „Es ist wichtig, in dieser Phase der Rehabilitation keine voreiligen Prognosen zu stellen“, fügt sie hinzu. „Was sich in den ersten zwölf Wochen an Funktionen erholt, ist ein gutes Zeichen, aber es gibt keine Garantie, dass alle verlorenen Funktionen zurückkehren.“

Interessant ist auch die demografische Verteilung unter den Patienten. Dr. Gabriela Wittgruber berichtet, dass die Mehrheit der Querschnittgelähmten Männer sind. Die Ursachen liegen häufig in Freizeitunfällen, wie Motorrad- und Fahrradstürzen, oder riskanten sportlichen Aktivitäten. Auch Arbeitsunfälle spielen eine Rolle, wenn-gleich diese durch verbesserte Sicherheitsvorkehrungen seltener geworden sind. Ein besonderes Risiko besteht für ältere Menschen, insbesondere bei der Nutzung von E-Bikes, da diese oft die Geschwindigkeit und das Gefahrenpotenzial unterschätzen.

Bei der Aufnahme ins Rehazentrum wird jeder Patient nach seinen Zielen gefragt. „Neun von zehn Patienten äußern den Wunsch, wieder gehen zu können“, berichtet die kompetente Ärztin. „Leider ist dies aufgrund der Schwere der Verletzungen in den meisten Fällen nicht möglich. Doch wir arbeiten daran, dass sie am Ende ihrer Rehabilitation mit einem Lächeln und einem Gefühl von Hoffnung und Selbstständigkeit nach Hause gehen.“ Diese realistischen, aber positiven Ziele sind entscheidend für den Erfolg der Rehabilitation und helfen den Patienten, sich in ihrem neuen Leben zurechtzufinden.

Ein weiterer wesentlicher Teil der Arbeit im Rehazentrum Tobelbad ist die Unterstützung der Patienten in allen Bereichen ihres Lebens. „Wir begleiten unsere Patienten nicht nur durch die medizinische Rehabilitation, sondern helfen ihnen auch bei Behördengängen, der Wiedereingliederung ins Berufsleben und der Anpassung ihres Zuhauses“, erklärt Dr. Wittgruber. Ein Beispiel dafür ist das Probewohnen, das am Ende der Rehabilitation angeboten wird. „Die Patienten können für ein bis zwei Wochen nach Hause gehen, um in ihrem gewohnten Umfeld zu testen, wie sie mit ihrer neuen Lebens-situation zurechtkommen. Danach kehren sie noch einmal für zwei bis drei Wochen zu uns zurück, um letzte Anpassungen vorzu-nehmen und offene Fragen zu klären.“ Auch Hausbesuche gehören zum Konzept. Ergo-therapeuten und Sozialberater besuchen gemeinsam mit dem Patienten dessen Zu-hause, um sicherzustellen, dass alle notwendigen Maßnahmen zur Barriere-freiheit getroffen wurden.

Technologische Fortschritte spielen in der Rehabilitation von Querschnittgelähmten eine immer wichtigere Rolle. Im Reha-zentrum Tobelbad kommen modernste Geräte zum Einsatz, die den Patienten helfen, ihre verbliebenen Funktionen zu stärken und neue Fähigkeiten zu entwickeln. „Wir haben hier unter anderem den Lokomat, ein robotergestütztes Gehsystem, das Patienten hilft, ihre Gehfähigkeit wiederzuerlangen, sowie Exoskelette, die es den Patienten ermöglichen, wieder aufrecht zu stehen und zu gehen“, erklärt die Oberärztin. Diese Geräte sind nicht nur wichtig für die körperliche Rehabilitation, sondern auch für das psychische Wohlbefinden der Patienten, da sie ihnen das Gefühl geben, wieder aktiv am Leben teilnehmen zu können.

Trotz aller Fortschritte in der Medizin bleibt die Heilung von Rückenmarks-schäden nach wie vor eine große Herausforderung. „Momentan gibt es leider noch keine Heilungsmöglichkeiten für eine voll-ständige Rückenmarkslähmung. Es wird viel geforscht, insbesondere im Bereich der Stammzellentherapie, aber bis zur vollständigen Wiederherstellung der Funktionen ist es noch ein weiter Weg.“

Für Dr. Gabriela Wittgruber ist die Arbeit mit querschnittgelähmten Patienten mehr als nur ein Beruf – es ist eine Berufung. „Unsere Aufgabe ist es, den Patienten auf seinem Weg in ein neues Leben zu begleiten und ihm die bestmögliche Unterstützung zu bieten. Und das tun wir hier in Tobelbad mit vollem Einsatz und ganzem Herzen.“ Ihre Hingabe und ihr Engagement haben unzähligen Patienten geholfen, sich nach einer schweren Verletzung ein neues Leben aufzubauen und mit Hoffnung und Zuversicht in die Zukunft zu blicken.

Oberärztin Dr. Gabriela Wittgruber

Diese Seite verwendet Cookies zur Weiterentwicklung des Angebotes. Cookies, die für den grundlegenden Betrieb der Website verwendet werden, sind bereits festgelegt. Informationen zu den Cookies und wie man diese entfernt finden Sie in unserer Datenschutzbestimmung.

Ich akzeptiere Cookies von dieser Seite
EU Cookie Directive plugin by www.channeldigital.co.uk