Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz Abg. z. NR Josef Muchitsch im Frühstücksgespräch mit dem Journal Graz über die Hitzebelastung der Bauarbeiter auf Baustellen.
Herr Muchitsch, wie ernst ist das Problem der Hitze auf Baustellen in Österreich und welche Maßnahmen ergreift die Gewerkschaft Bau-Holz, um die Arbeiter zu schützen?
Aufgrund der Klimaerwärmung immer ernster. Bauarbeiter sind besonders gefährdet, da sie schwerste körperliche Arbeit unter direkter Sonneneinstrahlung verrichten. Dies führt zu Kreislaufzusammenbrüchen oder schlimmeren gesundheitlichen Problemen. Um die Arbeiter zu schützen, führen wir Informationskampagnen durch. Wir verteilen Informationsmaterialien, Sonnencremes, Sonnenbrillen und Wasser an die Bauarbeiter. Parallel dazu setzen wir alles daran, dass es endlich einen Rechtsanspruch auf Hitzefrei gibt, Arbeitszeiten an Hitzetagen begrenzt werden und Arbeitszeiten verschoben werden können.
Es gibt für Bauarbeiter ja eine freiwillige Hitzefrei-Regelung. Wie wird sie genutzt?
Obwohl die Hitzefrei-Grenze von 32,5 Grad Celsius meist erst am Nachmittag erreicht wird, wenn die Bauarbeiter bereits viele Stunden harter Arbeit hinter sich haben, bekam 2023 nur etwa jeder vierte Bauarbeiter hitzefreie Stunden vom Arbeitgeber gewährt. Das zeigt, dass die freiwillige Regelung zu wenig genutzt wird und wir rechtlich nachschärfen müssen. Leider scheitert es derzeit noch an den Regierungsparteien, die unsere Forderungen immer wieder vertagen.
Aktuell sind Sie auf Baustellen unterwegs, um die Arbeiter zu informieren und mit Wasser sowie Sonnencremes zu versorgen. Wie wird dieses Engagement von den Bauarbeitern angenommen?
Sehr positiv! Die Bauarbeiter wissen es zu schätzen, dass wir uns für ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden einsetzen. In Gesprächen können wir das Bewusstsein für den notwendigen Schutz vor der Hitze schärfen und die Arbeiter über ihre Rechte und Möglichkeiten persönlich vor Ort aufklären.
Warum ist Hitzefrei für Bauarbeiter derzeit nur eine Möglichkeit und kein gesetzlich verankertes Recht?
Bauarbeiter haben kein Recht auf Hitzefrei, weil mein Antrag im Parlament dazu keine Mehrheit bekam, sondern lediglich vertagt wurde. Man hat es leider auch in dieser Sache nicht geschafft, Verantwortungsbewusstsein vor parteipolitisches Handeln zu stellen. Zudem weigert sich der zuständige Minister, eine entsprechende Verordnung zu erlassen – diese Möglichkeit gäbe es nämlich auch. Schade, dass es dieser Regierung offenbar nicht wichtig ist, Menschen zu schützen.
Wie sehen die Arbeitgeber und Auftraggeber diese Diskussion um Hitzefrei?
Gibt es Unterstützung oder Widerstand von dieser Seite? Es gibt sowohl Unterstützung als auch Widerstand. Wir appellieren, verantwortungsbewusst zu handeln und die Gesundheit der Beschäftigten nicht unnötig aufs Spiel zu setzen. Einige Arbeitgeber und Auftraggeber erkennen die Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen an und nutzen die Hitzefrei-Regelung, während andere zögern, diese Maßnahmen konsequent umzusetzen. Die Übernahme der Kosten durch die BUAK (Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse), reicht anscheinend als Anreiz nicht aus, Hitzefrei stärker zu nutzen.
Es ist eher ungewöhnlich, aber es gibt hier auch eine Kooperation mit Klimaaktivisten. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit und was erhoffen Sie sich davon?
Unterstützung bei unseren Forderungen finden wir durch das Bündnis „Menschen und Klima schützen statt Profite“, zu dem die Gewerkschaft Bau-Holz (GBH), die Arbeiterkammer (AK) sowie Klimaaktivisten von Fridays for Future und System Change not Climate Change gehören. Diese ungewöhnliche Allianz hat das gemeinsame Ziel, die Gesundheit der Arbeiter auf den Baustellen zu schützen. Wir als Gewerkschaft sind für jede Unterstützung dankbar und gehen hier sehr gerne auch unübliche Allianzen ein. Schließlich geht es um die Gesundheit der Bauarbeiter.
Was sind aus Sicht der Gewerkschaft die größten Herausforderungen, um bessere Arbeitsbedingungen bei Hitze zu erreichen?
Wir als Gewerkschaften müssen auf mehreren Ebenen weiter aktiv sein. Wir müssen die Vernünftigen bündeln, um die politischen Entscheidungsträger von gesetzlichen Regelungen zu überzeugen. Arbeitgeber, aber auch Auftraggeber müssen wir dazu drängen, alle vorhandenen Schutzmaßnahmen anzuwenden. Öffentlichkeitsarbeit ist ebenfalls wichtig, um Bewusstsein in der Bevölkerung zu schaffen und so stärker Druck auf die Verantwortlichen ausüben zu können. Angesichts des Klimawandels müssen zudem Ausschreibungen und Bauzeiten an extreme Wetterbedingungen angepasst werden, um die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen.
2024 ist ein großes Wahljahr mit der Nationalratswahl und der Landtagswahl in der Steiermark. Was sind Ihre Wünsche und Erwartungen an eine mögliche neue Regierung, unabhängig von der Parteizusammensetzung?
Die Politik muss von der Spaltung der Bevölkerung wegkommen und sich auf das Wohl der Menschen konzentrieren, statt auf den Machterhalt der Parteien. In der derzeit schwierigen geopolitischen Lage ist es entscheidend, dass Vernunft über leere Schlagzeilen und Populismus gestellt wird. Die Bevölkerung hat zu Recht das Vertrauen in die Politik verloren, was leider dazu führt, dass immer mehr Menschen sich nach den vermeintlich einfachen, aber nicht umsetzbaren Lösungen der Populisten sehnen. Doch die Geschichte hat uns gezeigt, dass dieser Weg nicht der richtige ist. Statt gegenseitiger Anschuldigungen sollte ein konstruktiver Wettbewerb um die besten Lösungen im Vordergrund stehen. Nur so kann das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zurückgewonnen und die Politik wieder zu einer echten Kraft für positive Veränderungen werden.
Wie sieht Ihre Prognose für den Bau im Jahr 2025 aus? Welche Herausforderungen und Chancen erwarten Sie?
Für das erste Halbjahr 2025 prognostiziere ich eine weiterhin angespannte Lage mit hoher Arbeitslosigkeit und massiven Arbeitsplatzverlusten. Die Herausforderung wird sein, einem weiter rückgängigen Arbeitsmarkt und negativen Auswirkungen auf Zulieferbranchen zu entgegnen. Chancen könnten in gezielten Regierungsmaßnahmen liegen, wenn diese auch effektiver umsetzbar werden.
Welche Erwartungen haben Sie an die Bundesregierung bezüglich der Unterstützung der Bauwirtschaft in den kommenden Jahren?
Die neue Bundesregierung sollte sich stärker auf bewährte Konzepte der Bausozialpartner stützen und Praktiker und Experten direkt in die Gesetzgebung einbinden. Es ist entscheidend, von Überschriften abzurücken und stattdessen konkrete, spürbare Maßnahmen umzusetzen, die direkt auf den Baustellen Wirkung zeigen. Ein koordiniertes Vorgehen aller Beteiligten ist nötig, um die Bauwirtschaft wieder anzukurbeln. Positive Ansätze wie aus der Steiermark könnten dabei als Modell dienen.
Danke für das Gespräch.
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