Strafrichter ist ein harter Beruf


Mag. Caroline List steht seit sechs Jahren als Präsidentin an der Spitze des Landesgerichts für Strafsachen Graz. Die Juristin war auch die erste   Richterin, als sie vor 30 Jahren ihren Dienst antrat.

„Ich habe dort am 1. Jänner 1993 als Richterin begonnen. Damals bekleidete hier noch keine Frau das Richteramt. Zum Einstieg in eine reine Männerdomäne kam der Altersunterschied. Viele der alten Herren, die Richter waren, konnten uns junge Juristen nicht gleich als Kollegen akzeptieren“, erinnert sich die heute 58-Jährige. Mittlerweile sei das Verhältnis von Frauen zu Männern in der Richterschaft bei 50/50. Sie sei auch die erste gewesen, die am Straflandesgericht mit der Doppelbelastung Kinder und Beruf fertig werden musste. „Es war eine Herausforderung, die nicht immer leicht zu meistern war“, erzählt die Mutter zweier Töchter. Diese stehen inzwischen selbst kurz vor dem Abschluss ihrer Studien – Medizin und Jus.

Ursprünglich wollte Caroline List Strafverteidigerin werden. „Aber als ich das in der echten Situation gesehen habe, hat es mir nicht mehr so gut gefallen. Da war die Möglichkeit, in der Mitte zu sitzen und die Entscheidungen zu fällen, verlockender.“

Auch das Amt des Richters verlange einem Juristen einiges ab. „Sowohl die Funktion des Strafverteidigers als auch die des Strafrichters ist ein harter Beruf. Man wird laufend mit heiklen Situationen konfrontiert. Als Richter muss man um die Wahrheitsfindung kämpfen, als Verteidiger für den Mandanten. Dabei werden naturgemäß Konflikte ausgetragen, auch weil es für die Menschen vor Gericht um sehr viel geht.“

Grundsätzlich, so die Präsidentin, müsse man immer eine Abwägung zwischen Täter und Opfer treffen. „Man muss auch beim Täter überlegen, woher kommt das“, das gelte auch für Missbrauchsfälle. „Da sind die Täter ganz oft geschlagene und missbrauchte Kinder, die dann später selbst solche Taten setzen. Als Strafrichter braucht man das Verständnis nicht nur für die Opfer, sondern auch für die Täter. Nicht Mitgefühl, aber eben Einfühlungsvermögen. Es gibt immer etwas, was auch für den Angeklagten spricht.“

Caroline List ist auch im Opferschutz tätig. Seit 13 Jahren arbeitet sie mit der ehemaligen steirischen Landeshauptfrau Waltraud Klasnic in der Kommission für Opfer von Gewalt und Missbrauch durch Vertreter der katholischen Kirche. „Ich stehe auch in einem guten Kontakt mit den Opferschutzorganisationen des Landes.“

Ins Strafrecht zu gehen, ist für die Landesgerichtspräsidentin bis zu einem gewissen Grad Veranlagungssache. „Es gibt einfach Menschen, die gerne in diesem Bereich arbeiten, es spannend finden und die es sich zutrauen, sich in dieser Konfliktzone zu bewegen. Zu denen zähle ich mich gemeinsam mit ein paar Dutzend anderer Juristen in der Steiermark. Wir haben Gottseidank auch keine Nachwuchsprobleme.“

Bei Strafprozessen habe der Richter auch die Aufgabe, im Prozess auch von sich aus Beweise zu finden. „Man muss selber danach trachten, den Fall aufzuklären. Manchmal ist es den Verteidigern recht, manchmal nicht. Meistens ist der Fall schon gut aufbereitet, sonst käme es gar nicht erst zur Anklage. Selten kommt es im Prozess zu ganz großen Überraschungen.“

Auch als Gerichtspräsidentin spricht Caroline List regelmäßig Recht. Rund 100 Verhandlungen im Jahr führt die Juristin. Mordfälle sind nicht darunter, obwohl sie auch diese gerne verhandeln würde. „Es besteht halt die Gefahr, dass man ein Verfahren bekommt, das einen über mehrere Wochen blockiert. Das wäre mit der Verwaltungstätigkeit als Präsidentin schwer vereinbar.“

Ein tägliches Thema für die Richter sei die häusliche Gewalt. „Wenn es bei uns landet, steckt oft die Entscheidung der Frau dahinter, endlich zur Polizei zu gehen und Hilfe zu suchen.“ Das Gericht versuche dann, durch Weisungen an einen Verurteilten wie eine Therapie, längerfristig zu unterstützen. „Leider gibt es eine gewisse Anzahl von Frauen, die entweder nicht anzeigen oder nach einer Anzeige zum Gewalttäter zurückkehren.“

Das Strafrecht insgesamt hat sich nach Lists Ansicht geändert. „Es geht weg vom reinen Strafen, hin in Richtung Unterstützung, wenn man straffällig geworden ist. Auch Opfern werden viel mehr Rechte eingeräumt als noch vor 30 Jahren.“

Der Idee, Kinder schon ab 12 Jahren strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, steht List eher skeptisch gegenüber. „Ich sehe in meiner Praxis, dass Menschen bis 21 nicht immer reif genug sind, gut und schlecht zu unterscheiden. Manche erkennen das nie.“ Das Strafrecht sei die letzte Konsequenz, wichtig wären gute familiäre Verhältnisse und Hilfe von außen.

Als Präsidentin durfte Caroline List die Renovierung des Großen Schwurgerichtssaales begleiten. „Es war eine Freude, dass das Ministerium das Geld für die Sanierung und technische Aufrüstung frei gegeben hat.“ Sowohl Zeitplan als auch Kosten seien eingehalten worden.

Privat ist Singen und Kunst das große Hobby der Juristin. Seit 40 Jahren singt sie im Grazer Chor Resurrexit, der aus dem Kinder- und Jugendchor der Ursulinen hervorgegangen und auf kirchlich angehauchte Lieder spezialisiert ist. Sie genießt es auch, immer wieder Ausstellungen zu besuchen, „das gehört einfach zu meinen Leben”, so Caroline List. Daneben kocht sie gerne. Vor allem mediterrane Küche begeistert sie. „Früher war das viel italienisch, inzwischen habe ich mein Programm um die Rezepte aus dem Nahen Osten bereichert.“

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