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Priester zwischen Seelsorge und Seitenblicken


„Toni“ Faber ist seit einem Vierteljahrhundert Dompfarrer im Wiener Stephansdom. Er ist zwar in allen Medien präsent, sieht sich aber als ganz normalen Seelsorger. Der Dom ist für Faber aber auch ein mittelständisches Unternehmen, das er mit führt.

Rund 80 Mitarbeiter sind im Wiener Stephansdom tätig. Allein 30 werken in der Dombauhütte, die sich seit Jahrhunderten um die Erhaltung der gotischen Kathedrale kümmert. Weitere 40 Menschen arbeiten im Betriebsdienst, andere im Büro und den Spendenvereinen für den Stephansdom. „Ich bin ein Teil dieses Unternehmens, nicht der Chef, aber im Vorstand“, erklärt der Dompfarrer.

Neben seiner seelsorgerlichen Tätigkeit ist Toni Faber „in den vergangenen 25 Jahren immer mehr PR-Aufgaben nachgekommen“, wie er selber sagt. „Ich schreibe jede Woche eine Kolumne in einer Tageszeitung, die 300.000 Leser erreicht“, ist der Dompfarrer stolz. „Allein in dieser Woche habe ich zusätzlich einige Termine bei Veranstaltungen und mit Politikern, mein Leben ist wahnsinnig ausgefüllt, ich habe eine 80- bis 100-Stunden-Woche. Ich befinde mich mitten im reißenden Strom des Lebens und werde nicht nur mitgetrieben, sondern kann mit Schwerpunkte setzen.“

Kunst und Kultur liegen Faber besonders am Herzen. Mit vielen prominenten Künstlern wie Erwin Wurm oder Gottfried Helnwein hat er gemeinsame Projekte in Sankt Stephan umgesetzt.

Die Religion wurde Toni Faber nicht in die Wiege gelegt. „Ich stamme aus einer sehr einfachen Familie”, schildert er seine Herkunft. „Mein Papa war weder besonders katholisch, noch an Kunst interessiert.“ Er sei in die Religion eher hineingeschlittert, erinnert sich der Dompfarrer. Als Schüler sei die Pfarre seine zweite Heimat geworden. „An der Schule war ich erst Klassen-, dann Schulsprecher. Und in der Pfarre Jugend- und Jungscharverantwortlicher. Ich war ein Gschaftlhuber, gar nicht auf religiöser Basis, aber als Aktivist.“

Mit 17 Jahren änderte sich Toni Fabers Leben schlagartig. „Ich bekam von meiner Ärztin die Diagnose, dass mir ein Nierenversagen droht. Wenn ich Pech habe, meinte meine Ärztin, blieben mir noch zwei oder drei Jahre.“ Er habe nachgedacht und sei zu dem Schluss gekommen, wenn Gott ihm das Leben geschenkt habe, müsse er sich selbst fragen, was er für Gott tun könne.

Faber trat ins Priesterseminar ein. „Einsiedler wäre nichts für mich gewesen“, lacht er, „ich stand und stehe mitten im Leben.“ Das Seminar habe für ihn nichts bedeutet, „plötzlich vor der Hälfte der Weltbevölkerung Angst haben zu müssen, dass sie mich verführen könnte“, schmunzelt der Dompfarrer. „Man muss sich nur darüber klar werden, wie es sein wird, als Priester unverheiratet innerhalb der Kirche aktiv zu sein und einen Platz zu finden.“ Der Zölibat, so der Priester, werde ohnehin völlig überschätzt: „Wer denkt mit 18 schon ans Heiraten, da denkt man daran, eine Freundin zu haben und du schaut, ob es mit jemandem passt. Sicher habe ich mich dafür entschieden, auf eine eigene Ehe und eine eigene Familie zu verzichten. Inzwischen bin ich eh 60 Jahre alt, da sind eigene Kinder nicht mehr das Thema.“

Der Platz als Dompfarrer „mit seiner Vielzahl an Seelsorge, Management und PR“ sei offenbar für ihn bestimmt gewesen, und das macht Toni Faber glücklich. „Dass ich noch dazu ein ganz normaler Mensch im Herzen der Stadt sein kann, hätte ich nie für möglich gehalten.“ Die Seitenblicke-Gesellschaft, in der sich der Dompfarrer gerne bewegt, sei wie ein Dorf: „Jeder kennt jeden und man zieht gemeinsam von Hütte zu Hütte. Ich bin halt der Dorfpfarrer.“

Corona hat auch die Situation im Stephansdom beeinflusst. „Früher hatte ich bei der Abendmesse am Sonntag ungefähr 700 Besucher. Jetzt sind es weniger geworden.“ Am Glauben liege es aber nicht, ist Toni Faber überzeugt. „Ich habe in der Pfarre rund 100 Wiedereintritte im Jahr, mehr, als in meinem Zuständigkeitsbereich aus der Kirche austreten.“

Auch wenn Toni Faber privat unterwegs ist, trägt er zumindest das Kollar, den Priesterkragen. „Sonst glauben die Menschen nur, ich möchte mich verstecken. Ich bin halt bekannt wie ein bunter Hund. Es ist schon vorgekommen, dass ich in einem Lokal aufs WC gehe und mich ein leicht illuminierter Gast anspricht, ob ich echt bin. Dann wollte er bei mir unbedingt sofort die Beichte ablegen: Ich habe geantwortet: Sehr gerne, aber erst muss ich aufs Klo“, lacht der Pfarrer.

Das schönste und berührendste Erlebnis in seiner Tätigkeit als Priester hat Faber vor 30 Jahren gehabt. „Eine Dame kam damals zur Beichte, die sichtbar im horizontalen Gewerbe arbeitete. Sie erzählte mir, dass sie in ihrer Jugend von ihrem Vater missbraucht wurde, drogenabhängig sei und sich überlege, ob sie sich das Leben nehmen oder weiter ins Bordell arbeiten gehen solle.“ Er habe sich in diesem Moment völlig überfordert gefühlt, gesteht der Priester ein. „Da habe ich den lieben Gott gebeten, mir irgendetwas einzugeben, was ich der Dame sagen könnte. Dann sagte ich zu ihr, darf ich für Sie beten und Ihnen die Hände auflegen?“ Das habe er dann getan, und die Prostituierte habe ihm geantwortet: „So hat mich noch nie ein Mann berührt!“ Spontan umarmte sie Faber und verschwand in der Nacht. „Damals habe ich gespürt, allein für diese Begegnung hat es sich ausgezahlt, Priester zu werden.“

Im März ist Toni Faber 60 Jahre alt geworden. Er hat vor, bis 75 zu arbeiten, „aber nicht unbedingt in der gleichen Geschwindigkeit wie heute“. Derzeit hat der Dompfarrer nur am Montag frei. „Wenn da ab und zu auch ein Dienstag dazu käme, wäre das eine schöne Sache. Ich arbeite ja gerne, aber es tut einem halt gut, wenn man einmal spazieren gehen kann.“

Faber ist, wie er zugibt, ein Genussmensch. Seine Lieblingsweine kommen aus der Steiermark: der Gelbe Muskateller und der Sauvignon Blanc von Sabathi. Beim Essen hat er keine besonderen Vorlieben. „Kochen kann ich nicht, und ich lebe nach dem Motto: Friss die Hälfte. Würde ich alles essen, was mir angeboten wird, wäre ich kugelrund. Außerdem muss ich wegen meiner Nieren und meiner Bauchspeicheldrüse sowieso aufpassen. Aber das ist nur ein kleiner Verzicht.“

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