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„Wir haben verlernt, mit Krisen umzugehen“


Der langjährige Präsident der Industriellenvereinigung Steiermark, KR Mag. Jochen Pildner-Steinburg, war immer für klare Worte und Offenheit bekannt. Trotzdem ist er überzeugt, dass nicht jeder zu jedem Thema etwas sagen muss – insbesondere, was die aktuellen Krisen angeht. „Meine Generation ist mit Krisen aufgewachsen.

Ich erinnere mich noch genau an das Jahr 1972. Da hatte ich gerade mein BWL-Studium abgeschlossen und im Unternehmen meines Vaters, der GAW, zu arbeiten begonnen. Die Rahmenbedingungen sind für viele Menschen heute gar nicht mehr vorstellbar“, führt der 75 Jahre alte Jochen Pildner-Steinburg aus. Die Inflation sei bei neun Prozent im Jahr gelegen, für einen Kredit habe man 16 Prozent Zinsen bezahlt. Der Dollar sei gerade von 23 auf 11 Schilling abgestürzt und die Freihandelsorganisation EFTA, der auch Österreich angehörte, habe Verträge mit der EWG abgeschlossen, die neue Konkurrenz gebracht habe. „Dann kam noch die Ölkrise, und Energie verteuerte sich immens. Autobesitzer durften ihr Fahrzeug an einem Tag in der Woche nicht benutzen, eine ganze Reihe von Energiesparmaßnahmen wurde eingeführt. Und trotz all dieser vermeintlichen Katastrophen ging es mit der Wirtschaft und ganz Österreich unaufhaltsam aufwärts.“ Heute werde, so Pildner- Steinburg, eine regelrechte Panik geschürt. „Das liegt auch daran, dass die heutige Generation keinerlei Erfahrung mit Krisen hat. Sie haben ja keine wirklichen erlebt.“ Dennoch ist der Industrielle sicher, dass die junge Generation lernen wird, mit der Krise umzugehen. „Wie jede Generation vor ihr auch. Wir Alten dürfen nicht den Fehler machen, unsere Befindlichkeiten zu lautstark mitzuteilen und zu erklären, früher ist alles besser gewesen. Denn das stimmt einfach nicht.“ Störend ist für Pildner-Steinburg, dass jeder meine, etwas zu allen Themen sagen zu müssen. „Das ist auch die Schuld der Medien, die dafür eine Bühne bieten“, ist er überzeugt. Er habe noch gelernt, dass man auch den Mund halten könne, wenn man von einer Sache nichts verstehe. Verschlimmert werde das noch durch die zunehmende Beschränkung der Medien auf griffige Überschriften. „Wenn man die Geschichte dann genau liest, kommt man drauf, dass der reißerische Titel gar nicht stimmt. Aber wer liest heute schon noch die Zeitung so intensiv? Die Welt lebt von Schlagzeilen – und die müssen noch dazu möglichst negativ sein. Im Grunde ist das traurig.“ Zu seiner massiven Kritik am ehemaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz sagt der Industrielle, dieser habe sich im Laufe seiner Kanzlerschaft stark verändert. „Als er Staatssekretär war, hat er auch mit mir über verschiedene Themen gesprochen. Er hat zugehört und öfter erklärt, dass er natürlich nicht alles wisse und deshalb lernen wolle, über die Wirtschaft und über die Industrie. Diese Einstellung hat mir Respekt abgenötigt. Aber dann ist er irgendwann falsch abgebogen. Er hat zunehmend auf sein unmittelbares Umfeld gehört, sich von seinen Beratern verführen lassen - und das hat ihn politisch umgebracht.“ Generell ist Pildner-Steinburg dafür, auch unangenehme Dinge offen auszusprechen. „Wenn ich gewisse Entwicklungen heraufdämmern sehe und andere nicht davor warne, dann bringt das ja nichts. Man kann nicht sagen: Ich bringe mich in Sicherheit und alle anderen sollen dumm sterben.“ Sicher könne man mit solchen Warnrufen einen Krieg in der Ukraine nicht verhindern. „Aber viele andere negative Tendenzen in der Steiermark wären so rechtzeitig zu bremsen gewesen. Gute Politiker müssen daher Dinge voraussehen und gegensteuern.“ Schon 2016 hat Pildner-Steinburg die Geschäftsführung des international tätigen Maschinen- und Anlagenbauers GAW Guppe in jüngere Hände gelegt. Heute wird das Unternehmen mit seinen 700 Mitarbeitern von Schwiegersohn Robert in oberster Verantwortung geführt. Er selbst ist gemeinsam mit seinem Bruder Jörg aber Vorsitzender der Geschäftsführung der GAW Holding, die sich um neue Zukäufe der GAW kümmert und immer nach Synergien sucht. „Das beschäftigt mich doch einige Stunden am Tag, auch wenn ich mir heute den Luxus leiste, erst gegen 10 Uhr ins Büro zu kommen“, schmunzelt der Industrielle. Daneben sitzt Pildner-Steinburg in einigen Aufsichtsräten, gehört dem Universitätsrat der Technischen Universität Graz an, ist Präsident des Grazer Eishockey-Klubs 99ers und Präsident der österreichischen Eishockey-Liga. In der Industriellenvereinigung Steiermark hat er die Ehrenpräsidentschaft inne, seine Tochter Nina ist dort Vizepräsidentin. Außerdem ist der Industrielle Vorsitzender des Verbands für Standort und Gesellschaft, der unter anderem den Grazer Science Garden sponsert. Besonders am Herzen liegt Pildner-Steinburg das Denkwerk Steiermark, wo er ebenfalls den Vorsitz führt. Das Denkwerk wurde vor drei Jahren von ihm und Altlandeshauptmann Franz Voves ins Leben gerufen und geht der Frage nach, was es für eine lebenswerte Zukunft im Land braucht. Rund zwei Dutzend Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft überlegen und diskutieren im Denkwerk relevante Fragen zur Zukunft. Was den Standort Steiermark angeht, sieht Jochen Pildner-Steinburg einigen Nachholbedarf. „Wir haben das Problem, dass wir zukünftige Entwicklungen nicht abbilden, uns nicht darauf vorbereiten“, kritisiert er. „Es fehlt an einer flächendeckenden Ausstattung mit Breitband-Internet genauso wie an ordentlich ausgebauten Verkehrswegen. Da liegt im Bereich Straße vieles noch genauso im Argen wie bei der Schiene. Und auch im Flugverkehr gibt es zu wenige Verbindungen von und nach Graz. Dazu kommen Schwächen in der Energieversorgung. Wir sind allgemein bei der Infrastruktur hinten, es wurde jahrzehntelang zu wenig Geld dafür in die Hand genommen.“ Darum würde Pildner Steinburg - hätte er einen Wunsch frei – „mehr Politiker wollen, denen das Land wirklich am Herzen liegt“. Für die Steiermark würde er sich wünschen, „dass das Land sich auf seine Stärken besinnt und eine zukunftsweisende Entwicklung nimmt“. Und im privaten Bereich wäre sein Wunsch, dass „die Familie und ich weitgehend gesund bleiben“. Um letzteres zu erreichen und seine Rückenprobleme, an denen er schon lange leidet, zu lindern, trainiert Pildner viel auf einem Ergometer. Auch eine Rudermaschine hat er sich zugelegt, die er eifrig nutzt. „Physiotherapie steht daneben auch noch auf meinem persönlichen Gesundheitsprogramm“, erzählt er. Für die geistige Entspannung möchte der Industrielle seinen wöchentlichen Stammtisch mit Freunden nicht missen. Letztlich halte ihn aber die Arbeit fit: „Wenn man nichts Sinnvolles mehr tut, verblödet man“, ist er sicher. „Auch wenn ich manches heute ruhiger angehe, als noch vor ein paar Jahren.“ Für die Zukunft will der Unternehmer nicht allzu schwarz sehen, warnt aber vor den „Krisen, die heran dräuen“. So seien die globalen Lieferketten seit Beginn der Corona-Pandemie gestört, eine Besserung sei vorerst nicht in Sicht, und der Krieg in der Ukraine verschärft die Situation noch zusehend. „Da stehen ganze Industriewerke still, nur weil ein Bauteil aus China nicht rechtzeitig ankommt, der entsprechende Container in irgendeinem Hafen festhängt.“ Langfristig sei es besser, sich aus der Abhängigkeit von globalen Transporten zu befreien. Nachsatz: „Aber wie wir das System wieder aufdröseln, dafür hab auch ich kein Rezept.“ Bei der Inflation seien die EU und die Europäische Zentralbank gefordert. Eine Bekämpfung der durch den Ukraine-Krieg in die Höhe geschnellten Teuerungsrate werde aber viel Geduld brauchen. „Wir stehen zwar vor der Spitze der Inflation, danach wird sich die Kurve wieder etwas abflachen, aber die Teuerung wird noch massive Folgen haben“, befürchtet Pildner-Steinburg. Nicht zuletzt auch für die Unternehmen, wenn Rohstoffe nur um teures Geld oder überhaupt nicht zu haben sind und gleichzeitig die Liquidität fehle. „Familienunternehmen werden sich da noch leichter tun. Die können eine Zeitlang auf Expansion und Gewinne warten und sich in Verzicht üben. Aber große börsennotierte Aktiengesellschaften werden sich schwer tun.“

KR Mag. Jochen Pildner-Steinburg

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